Prototypen haben kein sehr langes Leben. Man hofft ja immer das Gegenteil, aber die Realität ist erbarmungslos. 8 Flüge hat Projekt-X No.1 gehalten. Dazu aber mehr am Ende dieses Postings. Der Einschlag mit 500Kmh war heftig!

Nach meinem FAI Weltrekord in 2014 habe ich beschlossen einen eigenen Speeder auf die Beine zu stellen. Die Geschichte der Entstehung will ich hier aufschreiben. Zwar nicht in allen Details, aber doch genug, um einen Einblick zu erhalten. „I have a dream….“ beschreibt es ganz gut. Ziel wäre ein Weltrekord mit dem eigenen Modell.

Das Jahr 2014/2015 habe ich genutzt meine Baufähigkeiten zu erweitern. Wenn schon, dann will ich den Speeder auch selber bauen. Nach Öffnung des FAI Reglements auf 72V Klemmspannung (das sind 17s Lipos!) wurden die Speeder größer. Anfang 2016 habe ich in verschiedenen Rechnungen die Zielgröße ermittelt. Dabei spielte u.a. auch mein Keller eine Rolle. Ich baue in einer etwas größeren „Besenkammer“ meine Modelle. Eine zu große Form bekomme ich dort nicht rein und bewegen ist dann schwer möglich. Spannweite 160cm, 16s 3500 bis 4000er Lipos, großer Motor, Klapp Luftschraube. Das sind die Eckdaten.

Zum Namen „Projekt-X„. Dies ist der Projektname, nicht mehr, nicht weniger. Dem Baby will ich noch keinen Namen geben, solange das Konzept nicht erprobt ist. Negativ Beispiel in dem Bereich ist der Tanto der Akamodell München. Viel Manpower, Computer ohne Ende, ein spektakulärer Entwurf. Und dann fliegt das Modell wie eine Klotür! So wollte ich das nicht machen. „Quod erat demonstrandum“ kommt zuerst, dann der Name.

Es gibt einige Sachen an dem Projekt, die ich nicht machen möchte bzw. kann. Aerodynamik ist so eine Sache. Klar hätte ich mir das MH54 irgendwie auf Maß verändern können. Aber was kommt da raus? Kann ich nicht sagen, fehlt mir die Erfahrung. Eine Fräse habe ich auch nicht, und geeignete Kollegen im Verein können ein so großes Projekt nicht durchführen. Da fällt mir noch was ein – Rümpfe! Ich mag die nicht entwickeln, und schon gar nicht bauen. Daher wurde folgender Entschluss gefasst: Ich werde eine CrocoBlade kompatible Fläche+HLW entwickeln, so dass man den vorhandenen Rumpf dazu verwenden kann. Weiterer Vorteil ist, dass viele Flugdaten für die CrocoBlade existieren, ein Vergleich der Bauteile ist also möglich. Anbei ein paar Bilder aus der Entwurfs Phase…

Die Entstehung der Acryl Formen wäre eine Story für sich. Schleifen und Polieren war ein Spaß und hat mich einige Abende und Wochenenden gekostet. Aber die finale Form macht einen sehr, sehr guten Eindruck. Mitte November 2016 war ich dann mit den Vorbereitungen soweit fertig, dass der Bau starten konnte. Lackieren bei 5 Grad in der Garage. Alles andere als optimal, aber was soll ich machen. Anbei Bilder vom Bau des Flügels. Hinweis: Ja, Leichtbau ist nicht eine meiner Stärken! 🙂

Der fertige Flügel hatte 871g inkl. 2x QR Servos (Futaba 3172 HV). Das HLW habe ich in Doppel Carbon gebaut, da kann man theoretisch mit dem Auto drüber fahren. Etwas schwerer als der CrocoBlade Flügel, aber OK für den ersten Prototypen. Leider ist die Lackierung des Flügels mächtig in die Hose gegangen. Probleme macht mir der MIPA 2K Klarlack, der sich immer mal wieder nicht mit dem Laminat verbindet. Beim Entformen ist der halbe Klarlack in der Form hängen geblieben. Die Oberfläche des Flügels war rau, Farbreste flatterten, Kanten zu fühlen, alles andere als schön und aerodynamisch hilfreich für einen Speeder. Das eigene Profil von Projekt-X war u.a. darauf ausgelegt eine möglichst lange laminare Laufstrecke zu haben. Beim Umschlag zu turbulenter Strömung erhöht sich der Widerstand um ein Vielfaches. Gerechnet ist die Fläche für 150m/s, je näher man diesem Ziel kommt, desto heftiger wird der Widerstandszuwachs mit turbulenter Strömung am Flügel. Aber was soll ich machen? Bis zum geplanten Erstflug beim Speedcup in Bad Wünnenberg 2017 langt die Zeit nicht einen neuen Flügel zu bauen. Btw. war das MIPA Klarlack Problem (alle anderen Farben sind 1A!) wahrscheinlich eine Mischung aus überlagerter Farbe und Härter. Mein letzter FireBlade XL Flügel wurde mit IMC Lack (In Mould Coating / HP Textiles) lackiert. Dort zeigten sich keine derartigen Probleme. Mein neuer Standard Lack für Composite Bau.

Bereit für den Erstflug auf dem Speedcup in Bad Wünnenberg?

Der Erstflug mit 12s war eine Katastrophe. Schwerpunkt viel zu weit hinten! Da war er wieder, der Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Bei jeder Kurve hat der Speeder die Nase extrem hoch gezogen, war ein dünner Grat zum Strömungs Abriss. Mit entsprechender Trimmung habe ich die Kiste soweit eingestellt, dass man zumindest sauber die Landung einleiten konnte. Und diese erste Landung wäre fast in die Hose gegangen. Von außen sah das kontrolliert und optimal aus: Der Speeder kommt langsam im Sackflug rein, Nase leicht nach oben, Heck hängt. Allerdings hatte ich VOLL Tiefe gedrückt, es ging nichts mehr. Wenn der Speeder in dem Moment die Nase zu weit nach oben genommen hätte…. denken wir nicht weiter drüber nach. Ist gut gegangen. Puh. Danach haben wir in 2 weiteren Flügen den SWP weiter nach vorne verlegt und der Speeder flog wie erwartet. Flug No.2 brachte ca. 380Km/h, Flug No.3 ca. 390Km/h in der Messanlage. Mit dem CrocoBlade Setup und Bauteilen war ich bei 402Km/h gelandet. Room for Improvements! Auf der kommenden Powercroco Speed Challenge 2017 kommt dann richtig Leistung in den Speeder.

Das Finale – was geht mit dem eigenen Konzept?

Bei der PCSC 2017 haben wir keine großen Regeln, d.h. 72V Klemmspannung, Flächenbelastung egal. Normal wären 75g/dm². Es geht darum herauszufinden, was maximal möglich ist mit den Speedern. 16s4000er Lipos und ein 4540 Motor brachten Projekt-X auf ein Gewicht von 4,2Kg. Wir haben die Flächen mittels Planimeter ausgemessen und sind auf ein FAI Gewicht von 3925g gekommen, ergo knapp 275g Übergewicht.

  • Flug 4 – 12×24 / -2 Grad MS / Trimmflug, keine Messung
  • Flug 5 – 11.5×24 / 0 Grad MS / 455Km/h / 100%
  • Flug 6 – 11.7×24 / +2 Grad MS / 463Km/h / 100%
  • Flug 7 – 11.7×24 / +2 Grad MS / 418 eine Seite
  • Flug 8 – 11.9×27 / -1 Grad MS / 487Km/h eine Seite => Einschlag!!!

Zum „Glück“ gibt es von dem Einschlag des Speeders ein Video, was Kristina vom Speed Team Rügen aufgenommen hat. Auch heute habe ich immer noch Gänsehaut, wenn ich den Einschlag höre. Im realen Leben war der Sound viel lauter, der Einschlag deutlich spürbar im Boden. Und ich war direkt an der Flightline sehr nah dran. Wie war der letzte Flug aus meiner Sicht der Dinge?

Start gegen den Wind, dann Speeder Wende und zum Beschleunigen mit Wind durch die Strecke. Diese erste Strecke ist nie schnell, 4200g lassen sich nicht so einfach auf große Geschwindigkeiten bringen. 340Km/h sagt die Messanlage. Die Richtung in der Strecke stimmt jetzt, die zweite Wende erfolgt deutlich höher (600-700m). Jetzt wird der Speeder viel schneller, aber diese zweite Strecke geht wieder gegen den Wind. Beim Beschleunigen hört man sehr deutlich, wie die Luftschraube anfängt zu greifen, das Singen hört auf. Ganz kurz hört man ein Flattergeräusch im letzten Drittel vor dem Ausflug Tor (kleine QR Korrektur der Fluglage). 487Km/h laut Anlage, nicht schlecht! Wieder Anstieg auf 600-700m und Wende mit anschließender senkrechter Beschleunigung. Projekt-X wird schnell, sehr schnell. Kurz vor dem Abfangbogen flattert ein QR! Bei dem Speed und der Flugsituation hat man keine Zeit irgendetwas zu unternehmen. Es gibt einen lauten Knall und es regnet Projekt-X Flügelteile vom Himmel. R.I.P = Rest in Pieces. Schaut auch das Drama selber an.

Projekt-X Crash Video (1080p HD)


Aus Datenschutzgründen werde ich keine Videos mehr direkt in die Webseite integrieren. Ein Klick auf den Link öffnet das Video direkt in Youtube. Das ist derzeit leider die transparenteste Lösung um rechtlich "sauber" zu bleiben.

Datenschutz

Anschließend haben wir schnell die übrigen Einzelteile geborgen und die PCSC fortgesetzt. Zur Bergung der kompletten Teile musste ich mir erst einen Spaten und Schaufel vom Flugplatz besorgen. Motor, Regler und Lipos hatten sich mächtig eingegraben. Als wir zur Fundstelle gekommen sind fand ich nur ein rauchendes Loch vor. Definitiv keine Brandgefahr mehr. Das Loch war mittig in der Verlängerung der Strecke. Der Durchflug hätte gesessen. Ein 500er Durchflug waren mein Ziel für die Veranstaltung. Hat nicht viel gefehlt. 🙂

Die Analyse der Ursachen ist immer mit Unsicherheit behaftet. Mit angrenzender Wahrscheinlichkeit hat das rechte QR geflattert und sich zerlegt. Die rechte Seite der Fläche wurde im Flug komplett zerstört. Danach hat es die Tragfläche vom Rumpf gerissen. Die linke Seite des Flügels sieht gar nicht mal so schlecht aus. Ein weiterer Neuzugang an meiner „Wall of Shame“ im Keller. Kurz notiert: Das HLW hat den Impact auf dem Boden in erstaunlich gutem Zustand überlebt. Hier hat es nicht das HLW abgerissen, sondern der Rumpf wurde zerfetzt. Teile des Rumpfes mit den Schrauben hängen noch am HLW. Ich brauche nicht erwähnen, dass kein Teil von Projekt-X überlebt hat.

Warum hat das QR geflattert? Dies hat wahrscheinlich mehrere Ursachen. Die QR waren mit 1,4x dm² zu groß, GigaFlaps würde ich heute auch nicht mehr an einem Speeder bauen. Ob das RDS einen Einfluss hatte? Kann ich nicht mit Sicherheit sagen, aber auch nicht ausschließen. Wenn man sich dann meine Rippen aus einem der obigen Baubilder ansieht hätte eine Rippe auf Höhe des QR sicher auch nicht geschadet. Die Analyse ist noch nicht beendet.

Wie geht es mit Projekt-X weiter? Gibt es einen richtigen Namen?

Kurze Antwort: Vorerst geht es mit Projekt-X nicht weiter und einen abschließenden Namen vergebe ich auch nicht. Bin noch nicht 100% von dem Konzept/Flieger überzeugt. Es hat viele positive Ansätze, die Geschwindigkeit ist OK. Immerhin ist mir ein „Tanto Debakel“ erspart geblieben. Trotz einem etwas mehr als 8% dickem Profil ist die Kiste nicht langsam. Der Speeder fliegt schnell, er fliegt stabil und landet sich angenehm. Um das Konzept voll zu verifizieren müsste ich noch viel Arbeit reinstecken, was ich derzeit nicht kann/möchte. Die anfänglichen Spötter bei der Vorstellung von Projekt-X sind verstummt. Ich werte das mal als gutes Zeichen.

Aber man sollte das große Ziel nicht aus den Augen verlieren. Und mein großes Ziel ist Weltrekord mit dem eigenen Modell zu fliegen!

Dieses Ziel zu erreichen wird kein Kinderspiel, das war mir von Anfang an klar. Erschwerend kommt hinzu, dass die FAI die Regeln für Rekorde geändert hat (07/2017). Und im Falle von Projekt-X ist das in meinen Augen nicht vorteilhaft ausgefallen. Ab jetzt sind nur noch 42V Klemmspannung erlaubt (10s Lipo Akku). Geflogen bin ich Projekt-X mit 16s Lipos, Option auf 17s. Das geht jetzt nicht mehr, also muss man alle Setups ändern. Nehmen wir mal 10KW Leistung an, die man für 500Km/h braucht (ohne Verluste und sonstiges Schnick Schnack bei Projekt-X). P = U x I, daran ändern auch die neuen Regeln der FAI nichts. Eine vergleichende Rechnung:

  • 16x 3,5V (unter Last) = 10000 / 56 = ca. 178A
  • 10x 3,5V (unter Last) = 10000 / 35 = ca. 285A

Welcher Regler von der Stange macht das mit? Kenne ich keinen. Einen YGE160UHV kann man bei entsprechender Kühlung kurzfristig bis über 200A belasten. Mein Weltrekord aus 2014 war mit einem solchen 10s Setup geflogen worden. Das ging gut, war aber an der Grenze. Fakt ist, dass ich vorerst Projekt-X nicht auf ein 10s Setup umstellen werden.

Ändert das was an meinem langfristigen Ziel?

Nein! Wahrscheinlich wird es neue Speeder geben. Ich bleibe an der Stelle ausdrücklich nebulös.

Oliver Zanker

Oliver

...liebt Schokoladeneis in allen Variationen! :-)

Beruf selbstständiger IT Berater. Neben dem Computer Kram brauchte ich etwas handwerkliches zur kreativen Entspannung....so kam der Flugmodellbau in mein Leben.

Neben dem Modellbau bin ich leidenschaftlicher Windsurfer und oft mit meinem alten VW Bulli unterwegs. Mehr Infos gibt es unter "Wer schreibt hier?"